Hauptinhalt

Digitalisierung der Schweizer Landwirtschaft - verpassen wir den Anschluss?

Standpunkt des Schweizer Bauernverbands vom 3. August 2018

Digitalisierung der Landwirtschaft bedeutet nicht nur neue Geräte wie Drohnen, Melk-, Fütterungs-, Putzroboter oder GPS-gesteuerte, autonome Traktoren und Feldmaschinen. Es geht um eine systemische Veränderung: Diese neuen Technologien werden untereinander, aber auch mit Instrumenten für die Betriebsbewirtschaftung wie der Nährstoffbilanz, Futterplänen und Fruchtfolgeplänen und sogar mit der Buchhaltung verbunden sein. Diese Vernetzungen werden sich nicht nur auf den Betrieb beschränken, sondern auch Produktionsmittel- und Gerätelieferanten sowie die Käufer der landwirtschaftlichen Erzeugnisse einschliessen. In manchen Fällen reichen sie über Vermarktungsplattformen bis zum Endkunden. Es ist eine Herausforderung mit einem bedeutenden Verbesserungspotenzial, z. B. im Bereich der administrativen Vereinfachung und der nachhaltigen Entwicklung. Allerdings bestehen auch Risiken: Zahlreiche Bauernfamilien könnten auf der Strecke bleiben und die unternehmerische Unabhängigkeit der landwirtschaftlichen Betriebe  eingeschränkt werden.

Verschiedene Anzeichen lassen vermuten, dass die Schweizer Landwirtschaft den Anschluss an die Digitalisierung verpassen könnte. Am 19. Juni fand in Zollikofen, in Anwesenheit von Bundesrat Johann Schneider-Ammann, der Tag der digitalen Vernetzung statt. Über 40 Organisationen traten an, um die Charta zur Digitalisierung der Schweizer Landwirtschaft zu unterzeichnen. Aktuell besteht diese Charta erst auf dem Papier. Zur Umsetzung der Ziele der Charta ist die Bildung einer Chartagemeinschaft vorgesehen. Zum Abschluss des Tages präsentierte Bernard Lehmann, Direktor des BLW, mit dem Scharfsinn eines Professors eine Zusammenfassung. Wir hätten allerdings lieber die Marschrichtung eines Kapitäns vernommen, die einen Zeitplan, Zielvorgaben und vor allem Mittel zum Erreichen dieser Ziele beinhaltet. Gute Absichten reichen nicht aus. Es braucht Rahmenbedingungen, die der digitalen Entwicklung Raum lassen und gleichzeitig die Rechte und Interessen der Akteure schützen. (Datenhoheit, Sicherheit, Schutz, Transparenz über Anfall und Verwendung von Daten etc.). Und es braucht Mittel, vor allem finanzieller Natur. So investieren zum Beispiel die deutsche wie auch die französische Regierung bedeutende Summen in die Digitalisierung ihrer Landwirtschaft.

Derzeit sind in der Schweiz zwei grosse Datenmanagementprojekte in Bearbeitung. Das Projek ADA, das vor allem von IP-Suisse, TSM und Agrosolution unterstützt wird. Und das Projekt Barto, das von Identitas, Agridea, fenaco und den in der Tierzucht und Tierhaltung tätigen Organisationen getragen wird. Es darf keine Zeit mehr verloren gehen für Stellungnahmen für oder gegen diese beiden Projekte. Es ist eine Tatsache, sie existieren. Nun geht es darum, Investitionen vorzunehmen, um eine Komplementarität der beiden Programme herzustellen. Nun sind aber die beiden Projekte vor allem aufgrund von juristischen Problemen im Verzug. Auch in der Hinsicht muss der Bund eine vermittelnde und unterstützende Rolle einnehmen.

Auf der Ebene der Schweizer Kantone verfügen wir über fünf verschiedene Systeme von Direktzahlungen, die alle die gleichen Leistungen abgelten. Es wäre an der Zeit, den Mut aufzubringen und über eine Vereinheitlichung dieser Systeme nachzudenken. Die für 2022 vorgesehene zukünftige AP wird Veränderungen mit sich bringen und für die fünf Systeme werden die Kantone im Bereich der Informatik Anpassungen vornehmen müssen, die Millionen von Franken kosten werden. Es besteht Handlungsbedarf. Die durch die Digitalisierung erforderlichen Anpassungen müssen angestossen und begleitet werden. Dem Bund fällt dabei eine zentrale Rolle zu, die jedoch über gute Absichten hinausgeht. Es muss umgehend eine privat-öffentliche Task Force aufgestellt werden!

Autor

Francis Egger

Francis Egger

Stv. Direktor
Leiter Departement Wirtschaft, Bildung & Internationales

Belpstrasse 26, 3007 Bern
francis.egger@sbv-usp.ch
Departement Wirtschaft, Bildung & Internationales
Geschäftsbereich Agrarwirtschaft

Weitere Beiträge zum Thema

Stellungnahmen Verordnungsentwurf über Massnahmen zur Senkung des Verbrauchs von elektrischer Energie im Personenverkehr sowie im Güterverkehr auf der Schiene

07.12.23 | Stellungnahme des Schweizer Bauernverbands zum Verordnungsentwurf über Massnahmen zur Senkung des Verbrauchs von elektrischer Energie im Personenverkehr sowie im Güterverkehr auf der Schiene.

Mehr lesen
Medienmitteilungen
Biodiversitätsinitiative kommt zur Abstimmung

07.12.23 | Der Gegenvorschlag zur Biodiversitätsinitiative ist vom Tisch. Biodiversität ist wichtig, es besteht jedoch kein Bedarf an einer neuen Gesetzesgrundlage, um sie weiter zu fördern. Diese Meinung hat sich am Schluss im Ständerat durchgesetzt. Der Schweizer Bauernverband teilt diese Auffassung. Deshalb lehnt er auch die Initiative selbst ab.

Mehr lesen
Medienmitteilungen
Grosse Beteiligung an der Umfrage zur Agrarpolitik 2030

05.12.23 | Am 30. November endete die Umfrage des Schweizer Bauernverbands bei den Bauernbetrieben zu den Erwartungen an die nächste Agrarpolitik. Mit über 5500 Antworten haben deutlich mehr Personen mitgemacht, als erhofft.

Mehr lesen
Medienmitteilungen
Wirtschaftlich geht es nicht mehr auf

29.11.23 | Das beherrschende Thema der diesjährigen Delegiertenversammlung des Schweizer Bauernverbands waren die auf tiefem Niveau gesunkenen Einkommen der Bauernfamilien und die vom Bundesrat zusätzlich geplanten Kürzungen im Agrarbudget. Die Delegierten verabschiedeten dazu eine Resolution zuhanden des Parlaments und zeigten dem Bundesrat die rote Karte für das Sparpläne-Foul.

Mehr lesen
Medienmitteilungen
Lieber besser als schneller

24.11.23 | Mit einer Verschiebung um ein Jahr, soll die Umsetzung von 3.5% Biodiversitätsförderflächen auf dem Ackerland praxistauglicher werden. Das verhindert unerwünschte negative Effekte.

Mehr lesen
Stellungnahmen Totalrevision der Verordnung über die Meteorologie und Klimatologie

23.11.23 | Stellungnahme des Schweizer Bauernverbands zur Totalrevision der Verordnung über die Meteorologie und Klimatologie.

Mehr lesen
Medienmitteilungen
Sparmassnahmen entschärft

23.11.23 | Die Finanzkommission des Nationalrats anerkennt, dass die vom Bundesrat vorgeschlagene Entlastung der Bundeskasse auf dem Buckel der Bauernfamilien nicht fair ist. Sie schlägt vor, auf diverse Sparvorschläge im Agrarbudget, insbesondere bei den Direktzahlungen, zu verzichten. Allerdings bleibt das Budget der Landwirtschaft trotz steigenden Anforderungen unter dem Vorjahr.

Mehr lesen
Medienmitteilungen
Viel zu tiefe Einkommen in der Landwirtschaft!

21.11.23 | Die Einkommen in der Landwirtschaft sind zu tief und es braucht dringend Massnahmen zur Verbesserung. Die vom Bundesrat vorgesehene Senkung der Entschädigung der Bauernbetriebe für die erbrachten gemeinwirtschaftlichen Leistungen ist deshalb gesetzeswidrig. Gleichzeitig müssen auch die Abnehmer bessere Produzentenpreise bezahlen, damit die Mehrkosten gedeckt sind.

Mehr lesen