Hauptinhalt

Mit kalten Füssen verhandelt sich nicht gut

Standpunkt  vom 19. Februar 2018

Angst ist ein schlechter Ratgeber. Obwohl das alle wissen, lassen sich viele von ihr leiten. Da sich die Verhandlungen der EU mit den südamerikanischen Mercosur-Staaten Brasilien, Argentinien, Uruguay und Paraguay dem Vernehmen nach dem Abschluss nähern, bekommt die Schweizer Wirtschaft prophylaktisch kalte Füsse. Sie fürchtet, dass europäische Unternehmen nachher bessere Bedingungen haben und die Schweiz ins Abseits gerät. Der Bundesrat lässt sich davon unreflektiert mitreissen: Mit seiner Gesamtschau, deren einziger Fokus der Grenzschutzabbau ist, legt er die einheimische Landwirtschaft schon mal vorsorglich als Opfer auf den Altar. Das Vorgehen – keine zwei Monate nach der Abstimmung zur Ernährungssicherheit – ist ein Affront sowohl gegen die Schweizer Bauernfamilien wie auch das Schweizer Stimmvolk.

Zudem ist es eine lausige Verhandlungstaktik. Wer verspielt schon freiwillig seinen Vorteil und macht ohne Not Konzessionen? Die Verhandlungen mit Mercosur haben noch nicht einmal begonnen! Es ist absolut unklar, was die Schweizer Wirtschaft für einen Nutzen erhält. Die Exporte in die südamerikanischen Länder sind aktuell bescheiden: Sie liegen bei rund einem Prozent unseres Exportvolumens. Davon sind rund 60 Prozent pharmazeutische Produkte auf denen heute schon kaum Zölle erhoben werden. Der Schweizer Bauernverband hat keine Absicht der Hemmschuh der Schweizer Wirtschaft zu sein. Wir wollen ihr nicht unnötig Steine in den Weg legen. Aber wir wollen auch nicht, dass ausser Spesen und weiteren massiven Verlusten für die Primärproduktion nichts rausschaut und unsere Interessen völlig ausser Acht gelassen sind.

Vor kurzem wurde die Trinkwasserinitiative eingereicht. Eine weitere zur Abschaffung der vermeintlichen Massentierhaltung ist in den Startlöchern. Der Schweizer Bevölkerung kann es offensichtlich nicht ökologisch, tierfreundlich und gesund genug sein. Und in diesem Umfeld findet es der Bundesrat absolut zumutbar, noch mehr Lebensmittel in die Schweiz zu lassen, die mit gentechnisch verändertem Futter, hormonellen und antibiotischen Leistungsförderern und nicht tiergerechter Fütterung produziert wurden. Wo Tiere über tausende von Kilometern, eingesperrt in viel zu kleine Camions, in der brütenden Hitze in den Schlachthof gefahren werden? Wo Pflanzenschutzmittel ohne irgendwelche Auflagen zum Einsatz kommen. Und gerade in Brasilien ist zur Genüge bekannt, dass sich die Regierung keinen Deut um die illegalen Regenwaldabholzungen kümmert und die Arbeitsbedingungen in der Landwirtschaft oft nicht mal den grundlegenden Menschenrechten genügen. Ich kann das nicht nachvollziehen.

Zum Schluss noch ein Wort zum runden Tisch, mit dem sich der Bundesrat bei der Wirtschaft mit den kalten Füssen und grossen Hoffnungen die Absolution für sein Vorgehen holt. Ich hoffe, irgendjemand schaut auch mal darauf, was die bisherigen Abkommen gebracht haben. Obwohl China Zölle abgebaut hat, legt der asiatische Gigant unseren Exporten so viele nicht tarifäre Knüppel zwischen die Beine, dass sich die damals gehegten grossen Hoffnungen bis heute nicht erfüllt haben. Dafür exportieren wir mehr in die USA, mit denen wir gar kein Freihandelsabkommen haben. Statt Angst sollte ein gewisser Realismus und Respekt für alle Ansprüche unsere Regierung leiten.

Autor

Markus Ritter

Markus Ritter

Nationalrat, Präsident SBV

Weitere Beiträge zum Thema

AGRISTAT aktuell
Agristat Aktuell 03-22: Produktion und Verbrauch von Milch und Milchprodukten 2021

11.04.22 | Im Jahr 2021 wurde ungefähr die gleiche Milchmenge verarbeitet wie im Vorjahr. Dabei wurden aber wieder mehr Milchprodukte exportiert, während der Import leicht zurückging. Der Verbrauch von Käse ist nochmals leicht gestiegen, jener von Konsummilch, Joghurt, Butter und Dauermilchwaren hat abgenommen. Es muss davon ausgegangen werden, dass die Pandemie auch längerfristige Auswirkungen auf den Milchverbrauch hat, diese aber zunehmend von jenen des Ukraine-Krieges überschattet werden.

Mehr lesen
AGRISTAT aktuell
Agristat Aktuell 02-22: Der Strukturwandel in der Landwirtschaft ist erstaunlich konstant

11.03.22 | Die Abnahme der Landwirtschaftsbetriebe verlief in der Gesamtschweiz in den letzten 20 Jahren mit weitgehend konstanter Geschwindigkeit. Eine konstante Entwicklung ist auch in den meisten Kantonen feststellbar, allerdings mit von Kanton zu Kanton unterschiedlicher Geschwindigkeit. Für die Unterschiede zwischen den Kantonen spielen sowohl die landwirtschaftlichen Strukturen wie auch das wirtschaftliche Umfeld eine Rolle. Keine Bedeutung hat die zunehmende Überalterung der Betriebsleiter.

Mehr lesen
AGRISTAT aktuell
Agristat Aktuell 01-22: Der Trend zu weniger tierischen Nahrungsmitteln macht sich bemerkbar

10.02.22 | Eine Ernährung mit einem reduzierten Anteil an Fleisch und tierischen Produkten liegt im Trend. Dies führte bei gewissen Nahrungsmitteln in den letzten Jahren zum Rückgang des Verbrauchs. Die Covid-Krise hat zu einem veränderten Ernährungsverhalten geführt und diese Entwicklung vorerst gebremst. Mit dem Ende der Covid-Krise muss jedoch mit einer weiteren Abnahme des Pro-Kopf-Verbrauchs von Kalbfleisch, Schweinefleisch und Milch gerechnet werden. Dadurch könnte auch die Milchproduktion unter Druck geraten.

Mehr lesen
AGRISTAT aktuell
Agristat Aktuell 12-21: Das Landwirtschaftsjahr 2021: Rückblick und Ausblick

11.01.22 | Das Jahr 2021 wird wohl am stärksten aufgrund der misslichen Witterung in Erinnerung bleiben. Nach einem unauffälligen Winter 2020/2021 präsentierten sich die Kulturen Anfang Jahr in einem guten Zustand und auch die Saatbedingungen waren vielversprechend. Im April begann jedoch eine Phase mit massiven Bodenfrösten, welche in einigen Regionen bis Ende Mai andauerte. Aussergewöhnlich stark war für einmal das Wallis betroffen, mit verheerenden Auswirkungen auf die folgende Aprikosenernte. Am Ende der Anbausaison konnten nur rund 40 % der normalen Menge geerntet werden.

Mehr lesen
AGRISTAT aktuell
Agristat Aktuell 11-21: Nahrungsmittelbilanz 2020

10.12.21 | Sowohl der Gesamtverbrauch als auch der Pro-Kopf-Verbrauch haben im Jahr 2020 zugenommen. Der Anstieg beruht hauptsächlich auf der Erhöhung der Importe. Dies führt zu einem tiefen Anteil der Inlandproduktion im Verhältnis zum Verbrauch (Selbstversorgungsgrad). Grund für den erhöhten Bedarf in der Schweiz ist die Corona-Krise und ihre Auswirkungen: Die Einschränkungen für den Grenzverkehr liessen die ortsanwesende Bevölkerung ansteigen und verminderten den Einkaufstourismus. Der reduzierte Gastronomiebetrieb und die zeitweise geltende Homeoffice-Pflicht veränderten die Zusammensetzung des durchschnittlichen Speisezettels.

Mehr lesen
AGRISTAT aktuell
Agristat Aktuell 10-21: Der Erdölpreis als Motor der Teuerung

10.11.21 | Steigende Energiepreise sowie Probleme in der Logistik und Warenbewirtschaftung verteuern auch die Preise landwirtschaftlicher Produktionsmittel. Der Einfluss des Erdölpreises auf die Preise landwirtschaftlicher Vorleistungen ist weiterhin hoch. Da der Erdölpreis mittelfristig kaum ein gewisses Preisniveau überschreiten wird, kann man davon ausgehen, dass sich die Preise der landwirtschaftlichen Produktionsmittel auf einem neuen Niveau stabilisieren werden. Kurzfristig können Logistikprobleme und Lieferengpässe jedoch zu Verwerfungen in Teilbereichen führen. Die Teuerungswelle kann für die Landwirtschaft jedoch auch positive Effekte haben.

Mehr lesen
AGRISTAT aktuell
Agristat Aktuell 09-21: Entwicklung des Schweizer Nutztierbestandes

11.10.21 | Der Nutztierbestand nimmt 2021 um schätzungsweise 7500 GVE zu. Die grössten Zunahmen verzeichnen der Schweine- und der Geflügelbestand. Während es sich beim Schweinebestand um eine temporäre Bestandesschwankung im Rahmen des Schweinezyklus handelt, nimmt der Geflügelbestand seit mehre-ren Jahren zu.

Mehr lesen
AGRISTAT aktuell
Agristat Aktuell 08-21: Schätzung der Schweizer Ackerfläche 2021

13.09.21 | Die offene Ackerfläche nimmt 2021 um 2152 Hektaren oder 0,8 % zu. Die Kunstwiesenfläche nimmt um 6171 Hektaren oder 4,9 % ab. Die grössten Flächenzunahmen ergeben sich in absoluten Zahlen beim Winterweizen, Dinkel, Raps, bei den Sonnenblumen und beim Soja. Den grössten Flächenrückgang ver-zeichnen Silomais, Zuckerrüben, Körnermais, Ackerbohnen und Kartoffeln. Offensichtlich haben die Landwirtschaftsbetriebe die Futterfläche reduziert.

Mehr lesen