Hauptinhalt

Freihandel: Profit für wenige, Schaden für viele

Standpunkt  vom 6. März 2018

Letzthin geisterte ein interessanter Text durch die Landwirtschaftsszene. Er lautete in abgekürzter Form etwa so: „In der Schweiz diskutieren wir über sauberes Trinkwasser, über Tierwohl, über Hörner bei Kühen, über Antibiotikaverbrauch, Pestizide, Nachhaltigkeit , Biodiversität, gute Böden, Artenschutz, mehr Natur, mehr Wölfe, mehr Bären. Und kaum ist eine Diskussion zu Ende wird über mehr sauberes Trinkwasser, mehr Tierwohl und mehr Hörner bei den Kühen diskutiert. Gleichzeitig soll ein Freihandelsabkommen mit Mercosur- und anderen Staaten abgeschlossen werden. Endlich kann man dann noch mehr Antibiotikafleisch, Palmöl, mit Glyphosat behandeltes Getreide,… importieren. Für was machen wir hier Gesetze, wenn man nachher alles ins Ausland verlagern lässt, wo all diese Gesetze nicht gelten? Es geht nur noch um mehr Geld, Werte sind keine mehr gefragt. Die Schweiz verkauft sich und alle ihre Errungenschaften.“ Der Text endete mit „Ruhe in Frieden Schweizer Landwirtschaft“. Der/die unbekannte Autor/-in, hat die ganze Sache sehr gut auf den Punkt gebracht.

Alle wissen, dass es in Südamerika in Sachen Tierschutz eigentlich keine Gesetze gibt. Maximal gibt es Vorschriften betreffend Lebensmittelsicherheit in den Schlachthöfen. Doch auch diese macht sich kaum jemand die Mühe zu kontrollieren. Die Transporte der Tiere sind desaströs. Manche Rinder können zuerst auf der weiten Pampa weiden, aber am Schluss kommen alle in sogenannte Feedlots. Dort werden sie mit reinen Maisrationen, die überhaupt nicht artgerecht sind, auf engstem Raum ausgemästet. Im Pflanzenbau dominieren gentechnisch veränderte Sorten, die direkt vor der Ernte in den Genuss von riesigen Mengen von Glyphosat kommen. In der aktuellen Wochenzeitung berichtet Miguel Lovera, ein Agronom und Universitätsdozent aus Paraguay: „In Paraguay besitzen eineinhalb bis zwei Prozent der Bevölkerung 70 bis 80 Prozent des Landes. Die Gewinne der Agrarindustrie erreichen fast niemanden ausserhalb dieser Schicht. Freihandel mit Europa würde die Nachfrage nach Rindfleisch anheizen und all diese Probleme verschärfen. Für Kleinbauern würde es noch schwieriger, lebensnotwendiges Land zu erhalten. Dazu kommt die Umweltzerstörung: Im nördlichen Chaco, einem Trockenwaldgebiet, haben wir die wohl höchste Entwaldungsrate der Welt – ungefähr 800 bis 1000 Hektaren pro Tag. Die Produktionsgrundlagen – Land, Wasser und Wald – werden privatisiert, die Schäden hingegen der Gesellschaft aufgebürdet: Entwaldung, erodierte und vergiftete Böden, Klimaerwärmung, Biodiversitätsverlust.“ Miguel Lovera spricht für Paraguay. Doch vieles betrifft auch die anderen Mercosur-Länder, wie die Autorin des Artikels zu bedenken gibt: „Das Land ist ungleich verteilt, die industrielle Landwirtschaft vernichtet in verheerendem Tempo Wälder. Und die Rinderzucht entspricht längst nicht mehr den romantischen Gauchobildern: Immer mehr Tiere stehen in Feedlots, riesigen, graslosen Pferchen, in ihrem eigenen Mist.“

Im Moment steckt der Bauernverband Prügel ein, weil wir uns unmissverständlich gegen die vom Bundesrat anvisierte Strategie von „Marktöffnung-komme-was-wolle“ wehren. Die übrigen Wirtschaftssektoren und einzelne Exponenten wie Martin Naville, der Chef der Schweizerisch-Amerikanischen Handelskammer, werfen uns deshalb Abschottungspolitik vor, die der übrigen Wirtschaft in der Sonne stehe und sie in ihrem wirtschaftlichen Erfolg behindere. Ich möchte hier festhalten: Der Schweizer Bauernverband ist nicht per se gegen Freihandelsabkommen. Auch nicht im Fall von Mercosur, wo es ja wie oben geschrieben genügend Gründe für eine kategorisches Nein im Bereich Lebensmittel gäbe. Wir möchten aber – und das ist doch nicht verwegen! – dass auch unsere Interessen in die Verhandlung einfliessen. Und irgendwann sollte sich die Schweiz auch fragen, für welche Werte sie eintritt. Es kann doch nicht sein, dass in der Schweiz nichts gut genug ist, viel Ärgeres im Ausland aber keine Rolle spielt. Wenn die Schweizer Landwirtschaft bereits in Frieden ruht, ist es zu spät dafür.

Autor

Markus Ritter

Markus Ritter

Nationalrat, Präsident SBV

Weitere Beiträge zum Thema

Medienmitteilungen
Fragezeichen rund um das Freihandelsabkommen mit Indonesien

01.11.18 | Das Freihandelsabkommen mit Indonesien soll kurz vor dem Abschluss stehen. Das gab der Bundesrat heute bekannt. Zum konkreten Inhalt liegen aber keine Informationen vor. Wichtig aus Sicht des Schweizer Bauernverbands ist, dass der Bundesrat die roten Linien bei den sensiblen Produkten eingehalten und die Nachhaltigkeit als verbindliches Kriterium integriert hat.

Mehr lesen
Medienmitteilungen
Freihandel mit Mercosur ja, aber nicht um jeden Preis

29.10.18 | Die Schweiz verhandelt aktuell ein Freihandelsabkommen mit den Mercosur-Staaten. Die an der heutigen Medienkonferenz vorgestellte Mercosur-Koalition sagt «Ja, aber» dazu. Sie fordert, dass verbindliche Nachhaltigkeitskriterien im Freihandelsabkommen aufgenommen, die sensiblen Landwirtschaftsprodukte nicht gefährdet und der Konsumentenschutz nicht geschwächt werden.

Mehr lesen
Medienmitteilungen
Jetzt gilt: Keine Konzessionen für Palmöl!

25.09.18 | Das Freihandelsabkommen mit Malaysia und Indonesien – und damit das umstrittene Palmöl – standen heute auf der ständerätlichen Traktandenliste. Die kleine Kammer folgte mit einem Stichentscheid ihrer ausserpolitischen Kommission und versenkte damit eine breit abgestützte Forderung von Landwirtschaft, Konsumenten und Kantonen, Palmöl aus den Freihandelsverhandlungen auszuschliessen. Der Schweizer Bauernverband erwartet nun von Parlament und Bundesrat, dass sie die Vorbehalte ernst nehmen und keine Konzessionen eingehen.

Mehr lesen
Medienmitteilungen
Affentheater vor dem Bundeshaus: Petition verlangt vom Ständerat den Ausschluss von Palmöl

21.09.18 | Seit dem negativen Votum der Ständeratskommission haben aus Enttäuschung täglich 1’000 Wählerinnen und Wähler die Petition für den Ausschluss von Palmöl aus den Freihandelsabkommen mit Malaysia und Indonesien unterzeichnet. Die Initianten übergaben sie heute dem Ständerat persönlich.

Mehr lesen
Medienmitteilungen
Fertig mit Palmöl im Tierfutter!

12.09.18 | Der Schweizer Bauernverband hat in seinem Qualitätssicherungsprogramm QM-Schweizer Fleisch die Verwendung von Palmöl im Nutztierfutter verboten. Nun sind die Lebensmittelindustrie und das Parlament gefordert, ebenfalls Verantwortung zu übernehmen.

Mehr lesen
Medienmitteilungen
Fauler Kompromiss der Ständeratskommission: Palmöl-Koalition reagiert mit Petition

05.09.18 | Diese Woche hat die Ständeratskommission knapp gegen den Ausschluss von Palmöl aus dem Freihandelsabkommen mit Malaysia und Indonesien entschieden und stellt der Motion Grin eine zahnlose Kommissionsmotion entgegen. Die Palmöl-Koalition wehrt sich mit Vehemenz gegen diesen faulen Kompromiss und lanciert heute eine Petition an den Ständerat.

Mehr lesen
Medienmitteilungen
Österreichs EU-Beitritt: Vorbild für eine gelungene Grenzöffnung?

28.08.18 | Der Bundesrat will in der Gesamtschau zur mittelfristigen Weiterentwicklung der Agrarpolitik anhand des österreichischen EU-Beitritts aufzeigen, wie sich Grenzöffnungen positiv auf die nationale Landwirtschaft auswirken. Der Schweizer Bauernverband hat diese Behauptung zum Anlass genommen, die Folgen des EU-Beitritts für die österreichische Landwirtschaft einer umfassenden Analyse zu unterziehen. Dabei kommt er zum Schluss, dass Österreichs Landwirtschaft als Erfolgsbeispiel für eine Grenzöffnung wenig taugt.

Mehr lesen
Medienmitteilungen
Mercosur: Es geht um mehr als Steaks aus Argentinien

18.06.18 | Das angepeilte Freihandelsabkommen mit den Mercosur-Staaten ist in aller Munde. Der Schweizer Bauernverband hat sich mit den aktuellen Handelsströmen sowie den Vor- und Nachteilen eines Abkommens befasst und diese in einem Bericht zusammengestellt. Er hält ein für alle akzeptables Ergebnis für durchaus realistisch, sofern der Wille dazu besteht.

Mehr lesen