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Engagiert und optimistisch in die Zukunft

Liebe Bäuerinnen und Bauern

Sie halten den Jahresbericht 2022 und damit die Vergangenheit in den Händen. Doch Vieles wird uns weiter beschäftigen. Nach Corona war es erneut ein Jahr, in dem vorher Undenkbares eintraf: Krieg und grosses menschliches Leid gerade mal 1500 km von uns entfernt. Der Überfall von Russland auf die Ukraine – die Getreidekammer Europas – zeigt wie fragil die weltweite Versorgungssicherheit heute schon ist. Und wir sind nicht am Ende der Fahnenstange: Am 15. November 2022 überschritt die Weltbevölkerung die Marke von acht Milliarden Menschen. Und es werden jede Sekunde mehr. Auch wenn sich das Wachstum verlangsamt, sind wir im Jahr 2057 voraussichtlich bei zehn Milliarden. Zehn Milliarden, die ein Dach über dem Kopf, Infrastrukturbauten und täglich ausreichend zu essen brauchen. Immer weniger Anbauflächen müssen also immer mehr Menschen ernähren.

In besonders trockenen oder nassen Jahren der jüngeren Vergangenheit kam es zu regionalen Hungersnöten in armen Ländern und Exportverboten in exportorientierten Staaten. In diesem geopolitischen Umfeld ist es angebracht, dass auch unser Land den ihm möglichen Beitrag zur Versorgung der eigenen Bevölkerung leistet. Aktuell ist dies stark in Frage gestellt. Es fehlen immer öfter geeignete Pflanzenschutzmittel, alternative Methoden oder resistente Züchtungen, um die Kulturen vor Krankheiten oder Schädlingen zu schützen. Gleichzeitig hat der Bundesrat den Plan, zusätzlich mehr als 500’000 ha der Landesfläche für die Förderung der Biodiversität auszuscheiden. Die Landwirtschaft wäre massiv tangiert und die einheimische Lebensmittelproduktion würde geschwächt werden. Sich einfach immer stärker auf die Sicherung der Versorgung durch Importe zu verlassen, ist keine verantwortungsvolle Politik. Vielmehr ist es in Anbetracht der weltweiten Herausforderungen sowie ökologisch unsinnig. Bereits heute fällt 75 Prozent unseres konsumbedingten ökologischen Fussabdrucks im Ausland an. Je mehr Importe, desto schlechter für die Umwelt.

Dass mehr Importe kein nachhaltiger Weg sind, scheint auch in der Bevölkerung getragen zu sein. Immerhin sagten im letzten Herbst knapp 63 Prozent Nein zur Massentierhaltungsinitiative. Dieses sehr erfreuliche Resultat ist nicht nur einer gelungenen, von der Branche breit getragenen Abstimmungskampagne zu verdanken. Vielmehr ist es auch ein Bekenntnis zur einheimischen Produktion, die sich gerade in der Tierhaltung markant vom Ausland abhebt. Um unsere Verantwortung zu Versorgung der Bevölkerung mit eigenen Lebensmitteln wahrzunehmen, müssen wir weg von einer reinen Agrarpolitik hin zu einer Ernährungspolitik, die diesen Namen verdient. So wie dies der Postulatsbericht zur künftigen Agrarpolitik vorsieht. Nur wenn Konsum und Landwirtschaft sich im Gleichschritt bewegen, ist die Entwicklung nachhaltig und ohne Verlagerung ins Ausland.

Eine weitere Bedingung für die Erhaltung der einheimischen Lebensmittelproduktion sind kostendeckende Produzentenpreise. Letztes Jahr stiegen die Kosten bei fast allen Vorleistungen infolge des Krieges und der Verknappung von Gas und Strom. Es gelang der Landwirtschaft nicht, ihre Mehrkosten vollumfänglich über höhere Erlöse weiterzugeben. Das bleibt eine zentrale Aufgabe, die wir in diesem Jahr konsequent weiterverfolgen müssen. Ebenfalls ein Thema, das uns weiter beschäftigen wird, ist der Klimawandel. Gibt es doch kaum mehr ein Landwirtschaftsjahr ohne extreme Wettereignisse. Letztes Jahr litten weite Gebiete in der Westschweiz und entlang des Jurabogens unter grosser Trockenheit. Wiesen und Weiden verdorrten und die Ausfälle bei der Futterernten waren in den betroffenen Gebieten gross. Wir werden lernen müssen mit diesen Herausforderungen umzugehen und uns anzupassen.

Das vergangene Jahr war ein besonderes für unseren Verband: Wir durften unseren 125. Geburtstag feiern! Zu den Jubiläumsaktivitäten gehörte die Kartoffelpflanzaktion in allen Kantonen. Im September brachten Delegationen aus allen Landesteilen diese auf den Bundesplatz nach Bern. Es entstand daraus eine Weltrekordrösti, die der Bevölkerung kostenlos abgegeben wurde. Ein toller Anlass, der allen Anwesenden in bester Erinnerung bleiben dürfte. Wer mehr zur Verbandsgeschichte erfahren will, der findet ein kurzweiliges Video auf unserer Webseite unter der Rubrik «Geschichte» des SBV. Dieses zeigt eindrücklich, dass einzelne Themen wie die Erhaltung des Grenzschutzes nichts an Aktualität eingebüsst haben und eine zentrale Aufgabe unseres Verbandes sind.

Liebe Bauernfamilien, lassen wir das Jahr 2022 ruhen und schauen nach vorne. Nehmen wir gemeinsam die Verantwortung wahr, um unsere Produktion weiter zu optimieren. Dann können wir sicher sein: Die Zeit arbeitet für uns. Die Versorgung der Menschheit mit ausreichend zu Essen gewinnt an Bedeutung.

Markus Ritter, Präsident Schweizer Bauernverband
Martin Rufer, Direktor Schweizer Bauernverband